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Welche Aufgaben übernehmen Industrieroboter in der Medizintechnik?
Johannes Füssl : Jan 10, 2025 11:00:00 AM
In der Herstellung von medizinischen Instrumenten und Geräten gewinnt die Automatisierung rasant an Bedeutung. Umso mehr, weil die derzeit nach und nach greifende Kennzeichnungspflicht für Medizinprodukte den Aufwand in der Produktion steigen lässt. Präzise arbeitende Industrieroboter, die darüber hinaus einfach zu integrieren und zu bedienen sind, stellen die Umsetzung sicher und sorgen außerdem für höchste Qualität der Produkte.
Diese smarten Roboter unterstützen zahlreiche Unternehmen bereits heute: Sie be- und entladen Maschinen, beispielsweise für die einmalige Produktkennung (UDI) per Laser. Außerdem kommen Roboter bei klassischen Pick-and-Place-Aufgaben oder in der Qualitätsprüfung immer häufiger zum Einsatz.
Vorteile von Robotern in der Medizintechnik
In wenigen Branchen sind die Qualitätsansprüche so hoch wie in der medizintechnischen Produktion. Zu Recht, es geht schließlich um die Gesundheit. Der sorgfältige Umgang mit medizinischen und chirurgischen Produkten fordert von den Mitarbeitenden ein enormes Maß an Konzentration. Und dies bei hoher Taktzahl und obwohl sie mit teils gefährlichen Stoffen oder Gegenständen umgehen. Innovative Roboter leisten einen wertvollen Beitrag zur Entlastung des Menschen, damit Produktionsfehler vermieden werden – und das bei enormer Produktionsgeschwindigkeit.
Während Assistenzroboter für Operationen oder in der Rehabilitation – aus wirtschaftlichen und ethischen Gründen – erst in den kommenden Jahren flächendeckend zur Option werden, sind Industrieroboter längst in der Medizintechnik angekommen. Eine der Stärken moderner Roboter ist die flexible Handhabung unterschiedlichster Teile: Sie bewegen, sortieren, palettieren und prüfen Werkstücke zuverlässig, schnell und sicher.
Der Vorteil moderner Automatisierungslösungen: Sie sind meist innerhalb eines Tages einsatzbereit, weder aufwändige Schulungen noch tiefere Programmierkenntnisse sind erforderlich. Entsprechend intuitive Roboter-Betriebssysteme lassen sich Roboter fast so einfach bedienen wie ein Tablet oder Smartphone. Durch die Integration von Künstlicher Intelligenz und die Nutzung von Programm-Wizards kann gänzlich auf Coding verzichtet werden.
Ein besonderer Nutzen für die Medizintechnik: Industrieroboter können mühelos mit branchentypischen Legierungen und Kombinationen aus unterschiedlichen Materialien umgehen. Außerdem sind sie unempfindlich gegenüber Staub oder Schmutz und sind auch für die Produktion in Reinräumen geeignet.
Wie Roboter die Medizintechnik-Branche wachsen lässt
Die deutsche Medizintechnik boomt. Laut dem Branchenverband BVMed erwirtschaften die Unternehmen in Deutschland – Stand November 2024 – einen Gesamtumsatz von 55 Milliarden Euro. Sie beschäftigten mehr als 200.000 Menschen. Trotz flächendeckender wirtschaftlicher Probleme bleibt die Medizintechnik auf Wachstumskurs: Die Zuwachsraten liegen bei rund fünf Prozent jährlich.
93 Prozent der medizintechnischen Unternehmen zählen zum Mittelstand, haben weniger als 250 Beschäftigte und teils noch niedrige Losgrößen. Der Branchenverband nennt diese KMU das "Herzstück der Branche und Treiber des medizintechnischen Fortschritts". 1 Gerade für diese Betriebe sind Flexibilität und rasche Umrüstungen und Teilewechsel von hoher Bedeutung, heutige Automatisierungslösungen ermöglichen genau dies.
Einfachere Umsetzung der Kennzeichnungspflicht dank Robotern
Die Ansprüche an Qualität, Zuverlässigkeit und Reproduzierbarkeit sind in der Medizintechnik spätestens seit 2017 noch einmal gestiegen. International geltende Richtlinien für die Kennzeichnung medizinischer Produkte stellen die Branche vor neue Herausforderungen.
Damals trat eine EU-Verordnung in Kraft (MDR), nach der medizinische Produkte individuell identifizierbar sein müssen. Auch in den USA herrscht eine Kennzeichnungspflicht, an sie ist die europäische angelehnt.
Für deutsche Medizin- und Labortechnik-Unternehmen sowie deren Dienstleister sind diese Regularien auch eine Chance. Denn sie können sich als besonders verlässlich gegenüber globalen Wettbewerbern präsentieren. Das UDI-System (Unique Device Identification) sieht vor, jedes Teil mit einer Seriennummer und einem Code zu kennzeichnen. Roboter helfen bei der Herstellung der Produkte, diese internationalen Vorgaben schnell, sicher und einfach umzusetzen.
Einsatz von Robotern in der Laserbeschriftung
Meist findet die Kennzeichnung von Skalpellen, Bohrern, chirurgischen Zangen und anderen medizinischen Produkten per Laser statt. Wollen Medtech-Produzenten dies automatisiert erledigen lassen, sollten sie auf einen möglichst wiederholgenau arbeitenden Roboter achten: ± 0,05 Millimeter sind beispielsweise ein sehr guter Wert, um auch bei hoher Geschwindigkeit präzise Ergebnisse zu erreichen.
Exakt arbeitende und flexibel einsetzbare Robotersysteme erhöhen somit die Produktivität in der Beschriftung, ohne dass dadurch die Kosten explodieren. Meist rentiert sich die Investition in Automatisierung in weniger als sechs Monaten. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Roboter werden nicht krank und benötigen keinen Urlaub. Kommt es einmal zu kurzfristigen oder dauerhaften personellen Engpässen, kann die Produktion dennoch aufrecht gehalten werden und es kommt nicht zu Lieferschwierigkeiten.
Ganzheitliche Automatisierung als Sofortlösung für die Medizintechnik
Noch einfacher wird die Automatisierung für Medizintechnik-Firmen, wenn sie auf bereits vorbereitete und CE-zertifizierte Komplettmodule zurückgreifen, die es für zahlreiche Anwendungsfälle von der Maschinenbeschickung über das Teilehandling bis zur Vereinzelung am Markt gibt. Sie beinhalten neben dem Roboter selbst bereits alle notwendigen Werkzeuge, Zubehör und die Sicherheitstechnik.
Lange waren diese flexiblen, modularen Lösungen – beispielsweise zur Laserbeschriftung in einer Zelle –auf dem Markt nicht zu finden. Gängige Komplettlösungen stillten häufig nicht alle Bedürfnisse der Anwendenden. Interessenten konnten dann entweder auf die klassische Pick-and-Place-Lösung zurückgreifen, das Beschriftungsgerät also von einem davor stehenden Roboter bestücken lassen. Oder sie mussten auf Anwendungsbereiche verzichten – bei der Laserbeschriftung beispielsweise auf eine 360-Grad-Beschriftung oder den Wechsel zwischen verschiedenen Bauteilen. Auch musste für Schutzumhausungen häufig viel Geld und Planungsaufwand investiert werden.
Quellen:
1 https://www.bvmed.de/branche/zahlen-und-fakten#3-medtech-markt-auf-einen-blick