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Experte: Industrieroboter steigern Einkommen und Produktivität

Experte: Industrieroboter steigern Einkommen und Produktivität

Viele Menschen befürchten, dass Industrieroboter Arbeitsplätze bedrohen oder gar zu Massenarbeitslosigkeit führen. Dabei besteht jetzt schon ein massiver Fachkräftemangel. Durch die alternde Gesellschaft und andere Berufserwartungen nachrückender Generationen wird dieses Problem eher zu- als abnehmen.

Eine neue Studie der Wirtschaftsuniversität Wien beschäftigt sich mit positiven und negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Automatisierung. Wirtschaftsprofessor Klaus Prettner hat die Studie gemeinsam mit Ana Lucia Abeliansky verfasst. Im Interview erklärt er, wie dank Industrierobotern Einkommen und Produktivität steigen können.

 

fruitcore robotics: Herr Professor Prettner, warum kommen Sie und Ihre Kollegin zum Ergebnis, dass der demographische Wandel der Automatisierung einen Schub geben wird?

Klaus Prettner: Dieses Resultat ergibt sich aus zwei sich gegenseitig ergänzenden Analysen. Zuerst haben wir ein Standardmodell der Makroökonomie um Industrieroboter erweitert. Mit diesem Modellrahmen können wir mathematisch zeigen, dass ein Rückgang der Bevölkerungswachstumsrate die Anreize für Firmen erhöht, in Roboter zu investieren. Das hat damit zu tun, dass die Zahl der Arbeitskräfte im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung abnimmt. Dies lässt wiederum tendenziell die Löhne ansteigen. Sind die Löhne hoch, ist es für Unternehmen profitabler, in Roboter zu investieren als bei niedrigen Löhnen.

Die anschließende empirische Untersuchung anhand von Länderdaten zur Nutzung von Industrierobotern untermauert unsere These: In Ländern, die eine höhere Bevölkerungswachstumsrate aufweisen, ist die Anzahl der Industrieroboter im Verhältnis zu Arbeitskräften viel niedriger als in Ländern mit einem niedrigen Bevölkerungswachstum.

 

Warum können Investitionen in Industrieroboter Ihrer Meinung nach dem Fachkräftemangel entgegenwirken?

Hier gibt es prinzipiell zwei Effekte. Manche spezialisierte Tätigkeiten von Fachkräften können bereits automatisiert werden, beispielsweise durch den Einsatz von 3D-Druckern. Dies geschieht derzeit bereits stark im Bereich von Produkten wie Hörgeräten oder Prothesen im Medizinbereich, aber auch für die Produktion von Ersatzteilen oder speziellen Bauteilen in der Industrie. Derzeit wird oft darüber berichtet, dass erste Häuser bereits durch 3D-Drucker gebaut werden konnten. Diese Art der Automatisierung würde Fachkräfte direkt ersetzen und daher deren Mangel entgegenwirken.

Der Einsatz von Industrierobotern führt zu einem indirekten Effekt auf den Fachkräftemangel. Derzeit werden vor allem noch Arbeitskräfte, die Routinetätigkeiten durchführen, durch Industrieroboter ersetzt. Dies kann dann dazu führen, dass die freigesetzten Arbeitskräfte eine Weiterbildung oder Umschulung zu einer spezialisierten Fachkraft erfahren, was auch wiederum dem Fachkräftemangel entgegenwirkt.

 

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Klaus Prettner ist Professor für Makroökonomie und Digitalisierung an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU). Seine Forschungsschwerpunkte liegen vorwiegend in den Triebfedern der Automatisierung sowie in deren ökonomischen Auswirkungen. Hierfür wurde er im September von der WU Wien als „Researcher of the Month“ ausgezeichnet. Er ist Co-Autor eines Lehrbuchs zu diesem Themenkomplex und hat mehrere Forschungsartikel in international angesehen ökonomischen Journalen verfasst. (Bild: WU Wien)

In welchen Ländern machen Sie den höchsten Bedarf an rascher Automatisierung der Produktion aus und wieso?

In erster Linie betrifft Automatisierung derzeit jene Länder, welche einerseits ein schwach wachsendes oder sogar schrumpfendes Arbeitskräftepotenzial haben. Dies sind beispielsweise China, Japan und Südkorea, aber auch Deutschland und Italien. Interessanterweise sind das Vereinigte Königreich und die USA etwas weniger stark betroffen, weil dort durch höhere Zuwanderung und eine höhere Geburtenrate die Anzahl der Arbeitskräfte lange Zeit vergleichsweise stark gewachsen ist.

Zwei weitere wichtige Faktoren für den Einsatz von Robotern sind gut ausgebildete Technikerinnen und Techniker, die die Roboter produzieren und warten können, sowie die notwendige Infrastruktur, zum Beispiel eine stabile Stromversorgung.

 

Sehen Sie Europa, insbesondere den deutschsprachigen Raum, ausreichend für die Automatisierung von Produktionsprozessen gewappnet?

Hier sehe ich derzeit ein fehlendes Bewusstsein, wie wichtig Investitionen in die Grundlagenforschung, die angewandte Forschung und die Bildung allgemein sind, um global nicht ins Hintertreffen zu geraten. Wir in Europa reden seit Jahrzehnten davon, führender wissensbasierter Wirtschaftsraum der Welt zu werden, geben dafür aber bei weitem nicht die notwendigen Mittel aus. Dann sehen wir dabei zu, wie wir von anderen überholt werden.

China beispielsweise investiert massiv in Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) und hat in der Vergangenheit den Technologietransfer nach China mit unterschiedlichen Mitteln forciert. Daher gelten sie derzeit als führend in diesen Bereichen.

 

Welche gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Instrumente würden helfen?

Meiner Meinung nach müssen wir in Europa viel mehr in Zukunftsbereiche investieren und im Gegenzug Subventionen abbauen, die alte Industrien künstlich am Leben halten.

 

Derzeit kommen in Deutschland in der Produktion auf 10.000 Beschäftigte rund 350 Industrieroboter, in Singapur oder Südkorea liegt der Automatisierungsgrad bereits dreimal höher. Wo sehen Sie die Grenze der Roboterdichte erreicht?

Ich denke nicht, dass wir derzeit an Grenzen stoßen. Wenn die technologische Entwicklung der nächsten Jahre ähnlich schnell verläuft wie in den vergangenen zehn Jahren, werden wir sicher noch einen starken Anstieg erleben. Ein limitierender Faktor könnten kurzfristig die Energiepreise sein, da Automatisierungstechnologien in einigen Anwendungsbereichen sehr hohen Energiebedarf haben.

 

Denken Sie, auch kleinere und mittelgroße Unternehmen mit tendenziell geringeren Projektbudgets als Großkonzerne, sollten nun in die Automatisierung einsteigen und warum?

Dies hängt stark davon ab, was diese Unternehmen produzieren und wie gut sich die jeweilige Produktion automatisieren lässt. Wenn eine vergleichsweise gute Automatisierbarkeit gegeben ist und vielleicht darüber hinaus in dem jeweiligen Bereich Arbeitskräfte knapp und teuer sind, dann zahlt sich eine Automatisierung auch für kleinere Unternehmen sicher aus.

 

Insgesamt zeigen Studien, dass Roboter Produktivität und die durchschnittlichen Einkommen erhöhen. Darüber hinaus können sie uns gefährliche, ungesunde, harte und langweilige Arbeit abnehmen.

 

Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Faktoren wie eine einfache Bedienung, flexible Einsatzmöglichkeiten und geringe Anschaffungskosten eines Roboters?

Dies sind sehr wichtige Faktoren. Der qualitätsbereinigte Preis von Industrierobotern und 3D-Druckern ist in den letzten Jahren sehr stark gefallen, was eine Anschaffung für die Unternehmen interessanter macht. Diese Entwicklung hat sicher auch zum rasanten Anstieg der Automatisierung in den letzten Jahren beigetragen. Einfache Bedienung und flexible Einsatzmöglichkeiten sind natürlich auch relevante Gründe, aber dies hängt stark vom Hintergrund beziehungsweise der Produktionsstruktur des jeweiligen Unternehmens ab.

 

In einer früheren Studie kamen Sie zum Schluss, dass die Einführung einer „Robotersteuer“ oder „Digitalsteuer“, also eine Abgabe für arbeitende Roboter vergleichbar zu Lohnsteuern, zur Finanzierung des sich wandelnden Arbeitsmarkts nicht helfen würde. Warum nicht?

Insgesamt zeigen Studien, dass Roboter die Produktivität und die durchschnittlichen Einkommen erhöhen. Darüber hinaus können sie uns gefährliche, ungesunde, harte und langweilige Arbeit abnehmen. Der Einsatz von Robotern hat also aus der Gesamtperspektive gesehen wünschenswerte Effekte. Allerdings trifft die Automatisierung derzeit vor allem gering qualifizierte Beschäftigte und erhöht dadurch die Ungleichheit. Deshalb ist es wichtig, entsprechende unterstützende Maßnahmen zu setzen. Das können erstens Umschulungen und Weiterbildungen sein, zweitens die Etablierung und der Ausbau eines starken sozialen Sicherungsnetzes, das diejenigen unterstützt, die von der Transformation betroffen sind.

 

Wie könnten politische Instrumente aus Ihrer Sicht aussehen?

Um die entsprechenden Maßnahmen zu finanzieren, ist es nicht zielführend, den Robotereinsatz überhaupt oder stärker zu besteuern, da wir diesen grundsätzlich möchten. Stattdessen sollte die Besteuerung Dinge betreffen, die wir vermeiden wollen. Zum Beispiel aktive Umweltverschmutzung – Stichwort: CO2-Steuer – oder der Import umweltverschmutzend hergestellter Güter – Stichwort: Carbon Border Adjustment Tax.

Wenn man die entsprechenden Steuern verwendet, um Maßnahmen für „Verliererinnen und Verlierer“ der Automatisierung zu finanzieren, kann man also mehrere Ziele gleichzeitig erreichen: den Technologieeinsatz fördern, die Umweltverschmutzung besteuern und dadurch reduzieren und die Ungleichheit senken.

 

Eine oft geäußerte Befürchtung lautet: Industrie 4.0 wird dafür sorgen, dass massenhaft Jobs ersatzlos wegfallen und eine massive Arbeitslosigkeit droht. Gehen Sie hiervon ebenfalls aus und war das in vorigen industriellen Revolutionen überhaupt auch so?

Zumindest bisher scheint dieses Szenario noch nicht einzutreten. Wir beobachten derzeit vor allem einen Mangel an Arbeitskräften in vielen Bereichen und keine Massenarbeitslosigkeit. Natürlich ist es aber schwer zu sagen, was passiert, wenn große Berufsgruppen durch Automatisierung ersetzt werden. Wenn beispielsweise selbstfahrende Lkw und Pkw im Güter- und Personentransport viele Fahrerinnen und Fahrern auf dem Arbeitsmarkt freisetzen.

Hier werden einige der Betroffenen in anderen Bereichen Arbeit finden, aber womöglich nicht alle. Dies unterstreicht dann wieder die Wichtigkeit eines soliden sozialen Sicherungssystems, um diese Menschen aufzufangen.

 

Vernetzung ist der nächste logische Schritt im Einsatz von Automatisierungstechnologien.

 

Mit Blick auf einen sozial verträglichen Umgang mit Mitarbeiter:innen: Wie wichtig ist es, sie bei neuen und/oder veränderten Aufgaben mit ins Boot zu holen und gemeinsam mit ihnen an der Automatisierung zu arbeiten?

Ich denke, die richtige Kommunikation macht sicher viel aus. Sehr schwer wird es für die Arbeitskräfte, wenn sie von einem Tag auf den anderen in eine völlig neue Situation geraten oder sogar gekündigt werden. Dies schürt dann eher den Unmut und bereits vorab den Widerstand gegen die Nutzung neuer Technologien.

Darüber hinaus zeigen Studien, dass unterschiedliche Herangehensweisen in den Firmen selbst, aber auch unterschiedliche institutionelle Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt, dazu führen, dass die Automatisierung in den USA eher bewirkt, dass Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren als beispielsweise in Deutschland. Hier werden die Arbeitskräfte tendenziell nicht gleich gekündigt, sondern eher umgeschult.

 

Welche Rolle spielt bei der Zusammenarbeit mit Robotern der Faktor Internet-of-Things? Ist es sinnvoll, wenn auch mit Robotern mehr vernetztes Arbeiten möglich ist und welche Vorteile hat das aus Ihrer Sicht im Vergleich zur herkömmlichen Industrierobotik?

Die Vernetzung ist zweifelsohne mit Effizienzgewinnen verbunden, und es gibt bereits viele Bereiche in denen eine solche Vernetzung sinnvoll eingesetzt wird. Gewissermaßen war/ist dies auch der nächste logische Schritt im Einsatz von Automatisierungstechnologien. Ich denke, dass wir hier in den nächsten Jahren noch viele faszinierende Entwicklungen sehen werden.

Zwei Dinge, die wir aber nicht aus den Augen verlieren dürfen sind erstens die Sicherheit der Systeme und zweitens der Effekt auf den Ressourcenverbrauch. Der Punkt mit der Sicherheit ist klar, da beispielsweise Hackerangriffe viel größere Konsequenzen haben, je ausgeprägter die Vernetzung ist.

Der zweite Punkt wäre vermutlich vor einem Jahr noch als relativ unproblematisch gesehen worden. Aber manche der Systeme verbrauchen viel Strom, was derzeit hohe Kosten verursacht und sowohl aus geostrategischen als auch umweltpolitischen Gesichtspunkten problematisch ist. Hier wird es notwendig sein, weiter in die Energieeffizienz zu investieren und sich auch generell Gedanken zu machen aus welchen Quellen der zusätzliche Stromverbrauch gedeckt werden kann, welchen die Digitalisierung mit sich bringt.

 


 

 

Quelle:

Ana Lucia Abeliansky, Klaus Prettner: Population Growth and Automation Density: Theory and Cross-Country Evidence, September 2022 (Link zur gesamten Studie